Was ist Lysin?

Lysin oder L-Lysin ist eine essenzielle Aminosäure. Dies bedeutet, dass sie nicht vom Körper hergestellt werden kann und diesem daher über die Nahrung oder Nahrungsergänzungsmittel zugeführt werden muss. 

Was bewirkt Lysin?

L-Lysin ist sozusagen ein Baustein, der zur Herstellung körpereigener Proteine wie etwa von Kollagen sowie von Hormonen, Antikörpern und Enzymen benötigt wird. Des Weiteren ist es an Wachstums- und Entwicklungsvorgängen, der Kalziumaufnahme, der ordnungsgemäßen Gehirnfunktion, der Erholung nach Verletzungen sowie vielen anderen Körperprozessen beteiligt. Außerdem wandelt der Körper L-Lysin in Carnitin um, das für die Beförderung von Fettsäuren in die Mitochondrien zur Energiegewinnung benötigt wird.

Lebensmittel mit hohem Lysingehalt

Den höchsten L-Lysin-Gehalt weisen proteinreiche Lebensmittel wie Fleisch, Fisch, Meeresfrüchte, Milchprodukte, Soja sowie Nüsse und Samen auf.

Im Allgemeinen deckt eine Ernährung mit einem ausreichenden Proteingehalt (ungefähr 2,5 g pro Tag) den Bedarf des Körpers an L-Lysin.

Wenn in der täglichen Ernährung keine ausreichende Menge an L-Lysin enthalten ist, reicht es nicht aus, einfach nur ein L-Lysin-Präparat einzunehmen. Die Einnahme von L-Lysin in Form eines Nahrungsergänzungsmittels in Kombination mit einer proteinarmen Ernährung kann sogar zu einer weiteren Verschlechterung der Proteinqualität der Nahrung führen.1 Daher wird Personen, die sich proteinarm ernähren, davon abgeraten, L-Lysin-Präparate zu sich zu nehmen. 

Stattdessen werden diesen Personen Nahrungsergänzungsmittel, in denen alle essenziellen Aminosäuren enthalten sind, oder hochwertige Proteinquellen wie etwa Molke oder Eiweiß empfohlen.  

Welchen Nutzen haben Lysin-Präparate?

Eine Nahrungsergänzung mit L-Lysin kann folgende fünf Vorzüge bieten: 

  • Vorbeugung und Behandlung von Fieberbläschen und Herpes
  • Verringerung von Angst- oder Stressgefühlen
  • Förderung der Kollagensynthese und Wundheilung
  • Verbesserung der Kalziumverwertung
  • Erhöhung des Carnitinspiegels

Vorbeugung und Behandlung von Fieberbläschen und Herpes

Es gibt zwei Arten des Herpes-simplex-Virus (HSV): Das Herpesvirus des Typs 1 (HSV-1) ist der häufigste Auslöser von Fieberbläschen. Dagegen ist das Herpesvirus des Typs 2 (HSV-2) die Ursache von nahezu 90 % der Fälle von Genitalherpes (die übrigen 10 % werden durch HSV-1 verursacht).

Eine Erstinfektion mit HSV-1 kann Fieber, schmerzhafte Schwellungen und offene Wunden am Zahnfleisch sowie an der Innenseite der Wangen oder schmerzhafte Halsschmerzen verursachen, die normalerweise 2 bis 12 Tage nach dem Kontakt mit einer Person auftreten, die Träger des HSV-1-Virus ist. Die Rückfälle beschränken sich meist auf das Auftreten von Lippenbläschen, die auch als Fieberbläschen bezeichnet werden. 

Zu den Symptomen eines erstmaligen Ausbruchs von Genitalherpes zählen meist Juckreiz oder Brennen, Schmerzen in den Beinen, im Gesäß oder im Genitalbereich, vaginaler Ausfluss oder ein Druckgefühl im Bauchbereich. Innerhalb weniger Tage bilden sich an der Infektionsstelle Wunden (Läsionen). Bei Frauen können diese Wunden auch am Gebärmutterhals und bei Männern im Harntrakt auftreten. Diese kleinen roten Beulen können sich zu Bläschen oder schmerzhaften offenen Wunden entwickeln. Nach einigen Tagen bilden diese Bläschen eine Kruste und heilen allmählich ohne Narbenbildung ab. Zu den weiteren Symptomen, die bei einem erstmaligen Ausbruch eines Genitalherpes auftreten können, zählen Fieber, Kopfschmerzen, Muskelschmerzen, Schmerzen oder Schwierigkeiten beim Wasserlassen, Scheidenausfluss sowie geschwollene Drüsen in der Leistengegend.

Nach der Erstinfektion wandern die HSV-1- bzw. HSV-2-Viren zu den sensorischen Nerven am Ende des Rückenmarks und nisten sich dort ein. Bei den meisten Menschen werden diese Viren inaktiv. In anderen Fällen können sie jedoch reaktiviert werden. Bei einer Reaktivierung wandern die Viren über die Nerven zur Haut und beginnen, sich an der ursprünglich befallenen Stelle zu vermehren und somit Herpesbläschen zu verursachen. Sie können sich jedoch auch in der Nähe dieser Stelle vermehren und somit zum Ausbruch neuer Bläschen führen. In manchen Fällen können Herpesviren auch reaktiviert werden, ohne dass sie sichtbare Wunden verursachen. 

L-Lysin hat bei Forschern Aufmerksamkeit erregt, als man in den 1960er Jahren Reagenzglasstudien durchgeführt hat, aus denen ersichtlich wurde, dass Lysin eine antivirale Wirkung haben kann.2 Im Rahmen dieser Studien wurde festgestellt, dass diese Wirkung von L-Lysin auf die Blockierung von L-Arginin, einer anderen Aminosäure, zurückzuführen ist. Da ein Großteil der potenziell hemmenden Wirkung von L-Lysin angeblich auf die Hemmung von L-Arginin zurückzuführen ist, muss laut den Forschern gleichzeitig die Aufnahme von Nahrungsmitteln mit einem hohen L-Arginin- und einem niedrigen L-Lysin-Gehalt eingeschränkt werden, damit die Einnahme eines L-Lysin-Präparats die Reaktivierung der Herpesviren verhindern kann. 

Abgesehen von den Reagenzglasstudien, die auf die Notwendigkeit dieses dualen Ansatzes hinwiesen, haben Ergebnisse aus Doppelblindstudien zur Wirksamkeit einer Nahrungsergänzung mit L-Lysin gezeigt, dass die Vermeidung von Lebensmitteln mit einem hohen L-Arginin-Gehalt zu inkonsistenten Ergebnissen führt.3 

In diversen Studien hat man sehr gute Ergebnisse erzielt, wenn L-Lysin dreimal täglich in einer Dosierung von 1 g verabreicht wurde. Gleichzeitig musste der Verzehr von Nahrungsmitteln mit hohem L-Arginin- und niedrigem L-Lysin-Gehalt, wie beispielsweise von Nüssen und Samen, Schokolade, Erdnüssen und Gelatine/Kollagen eingeschränkt werden.3–6 So wurde die sechsmonatige Einnahme von Lysin beispielsweise in einer Doppelblindstudie an Probanden, die unter wiederkehrenden Fieberbläschen litten, bei 74 % der Teilnehmer als wirksam oder sehr wirksam eingestuft, im Vergleich zu nur 28 % bei denen, die ein Placebo erhalten hatten.4 In der L-Lysin-Gruppe kam es zu weniger Rückfällen, die Symptome waren milder und die Läsionen heilten schneller ab.

Positive Ergebnisse wurden auch in einer klinischen Langzeitstudie an Probanden beobachtet, die an einer wiederkehrender HSV-2-Infektion litten und mindestens vier Ausbrüche pro Jahr hatten.6 Nach dem ersten Jahr führte die Einnahme von L-Lysin (500 mg pro Tag) zusammen mit einer Diät, in der Nahrungsmittel mit einem hohen L-Arginin- und einem niedrigen L-Lysin-Gehalt eingeschränkt wurden, zu einer Verringerung der Anzahl der jährlichen Rezidive um 63 % sowie einer Verkürzung der Wundheilungszeit um 49 %. Dieselben Patienten, die dieses Ernährungsprotokoll einhielten und 500 mg L-Lysin einnahmen, wurden acht Jahre lang alle 12 Monate 30 Tage lang beobachtet. Die Probanden wurden angewiesen, die L-Lysin-Dosis sofort zu erhöhen, sobald sie das Gefühl hatten, dass sich ein Rückfall anbahnt. Sie sollten in diesen Fällen 3 g pro Tag als Einzeldosis einnehmen, bis die Symptome abklangen. Dieses Protokoll soll die Rezidive und die Heilungszeit im Falle eines Rezidivs erheblich erhöht haben. 

Laut diesen Studien können die besten Ergebnisse erzielt werden, wenn man L-Lysin vorbeugend einnimmt oder sofort mit der Einnahme beginnt, sobald Symptome auftreten (Prodromalphase). Zudem muss die Nahrungsergänzung mit L-Lysin mit einer Einschränkung des Verzehrs von Nahrungsmitteln einhergehen, die einen hohen L-Arginin und einen niedrigen L-Lysin-Gehalt aufweisen.3 

Verringerung von Angst- oder Stressgefühlen

Bisherige wissenschaftliche Erkenntnisse aus Tier- und Humanstudien deuten zudem darauf hin, dass eine Nahrungsergänzung mit L-Lysin zur Verringerung von Angst- und Stressgefühlen beitragen könnte. Eine Studie an Einwohnern syrischer Dörfer ergab beispielsweise, dass die Anreicherung des von ihnen konsumierten Weizenmehls mit Lysin dazu beitrug, Angstzustände und das Stresshormon Cortisol zu reduzieren.7 

In einer weiteren klinischen Doppelblindstudie in Japan wurde beobachtet, dass nach einer einwöchigen Einnahme von L-Lysin (2,64 g pro Tag) und L-Arginin (2,64 g pro Tag) die Stress- und Angstgefühle abgenommen hatten und die Cortisol- sowie die Chromogranin-A-Werte (ein Stressmarker) im Speichel niedriger waren.8 

Förderung der Kollagensynthese und Wundheilung

L-Lysin wird für die Herstellung von Kollagen benötigt. Kollagen ist das wichtigste Protein in der Bindegewebsmatrix, die Sehnen, Bänder und Knochen bildet, und stellt sozusagen den intrazellulären Zement dar, der für den festen Sitz der Haut und anderer Gewebe an der entsprechenden Stelle sorgt. L-Lysin kann die Kollagenproduktion ankurbeln.9 So trug ein topisch aufgetragenes Präparat mit 15 % L-Lysin angeblich zu einer schnelleren Wundheilung bei als die Behandlung mit einem Standard- oder Placebo-Mittel.10 

Verbesserung der Kalziumverwertung

L-Lysin und andere essenzielle Aminosäuren sind von wesentlicher Bedeutung für die Knochengesundheit.11 L-Lysin soll die Aufnahme von Kalzium verbessern. In einer Studie an Menschen mit einer verminderten Knochenmineraldichte wurde festgestellt, dass die Einnahme eines Präparats mit an L-Lysin gebundenem Kalzium die Bioverfügbarkeit von Kalzium signifikant steigerte.12 

Erhöhung des Carnitinspiegels

Carnitin ist eine vitaminähnliche Verbindung, die im Körper aus L-Lysin synthetisiert wird. Diese Verbindung hat die Aufgabe, langkettige Fettsäuren in die energieproduzierenden Mitochondrien innerhalb der Zellen zu befördern. Die Nahrungsergänzung mit L-Lysin kann den Carnitinspiegel im Blut erhöhen. Dies deutet auf das Potenzial von L-Lysin hin, die Carnitinsynthese zu steigern.13 

Quellenangaben:

  1. Xiao CW, Hendry A, Kenney L, Bertinato J. L-Lysine supplementation affects dietary protein quality and growth and serum amino acid concentrations in rats. Sci Rep. 2023 Nov 15;13(1):19943. 
  2. Tankersley RW. Amino acid requirements of herpes simplex virus in human cells. J Bacteriol. 1964; 87(3): 609-613.
  3. Pedrazini MC, da Silva MH, Groppo FC. L-lysine: Its antagonism with L-arginine in controlling viral infection. Narrative literature review. Br J Clin Pharmacol. 2022 Nov;88(11):4708-4723.
  4. Singh M, Rao DM, Pande S, Battu S, Dutt KR, Ramesh M. Medicinal uses of L-lysine: past and future. Int J Res Pharm Sci. 2011; 2(4): 637-642.
  5. Griffith RS, Walsh DE, Myrmel KH, Thompson RW, Behforooz A. Success of L-lysine therapy in frequently recurrent herpes simplex infection. Treatment and prophylaxis. Dermatologica. 1987; 175(4): 183-190.
  6. Pedrazini MC, Cury PR, Araujo VC, Wassall T. Effect of lysine on the incidence and duration of recurrent cold sore lesions. Rev Gaucha Odontol. 2007; 55: 7-10.
  7. Smriga M, Ghosh S, Mouneimne Y, Pellett PL, Scrimshaw NS. Lysine fortification reduces anxiety and lessens stress in family members in economically weak communities in Northwest Syria. Proc Natl Acad Sci U S A. 2004 Jun 1;101(22):8285-8.
  8. Smriga M, Ando T, Akutsu M, Furukawa Y, Miwa K, Morinaga Y. Oral treatment with L-lysine and L-arginine reduces anxiety and basal cortisol levels in healthy humans. Biomed Res. 2007 Apr;28(2):85-90.
  9. Yamauchi M, Sricholpech M. Lysine post-translational modifications of collagen. Essays Biochem. 2012;52:113-33. 
  10. Shashikumara S, Jayaraman V, Chikkegowda P, Lingaiah DC, Kalal BS. Efficacy of 15% lysine cream in treating diabetic foot ulcers: a randomized interventional study. Int J Physiol Pathophysiol Pharmacol. 2023 Jun 15;15(3):88-97. 
  11. Lv Z, Shi W, Zhang Q. Role of Essential Amino Acids in Age-Induced Bone Loss. Int J Mol Sci. 2022 Sep 24;23(19):11281. 
  12. Shankar K, M S, Raizada P, Jain R. A Randomized Open-Label Clinical Study Comparing the Efficacy, Safety, and Bioavailability of Calcium Lysinate with Calcium Carbonate and Calcium Citrate Malate in Osteopenia Patients. J Orthop Case Rep. 2018 Jul-Aug;8(4):15-19.
  13. Khan-Siddiqui L, Bamji MS. Lysine-carnitine conversion in normal and undernourished adult men-suggestion of a nonpeptidyl pathway. Am J Clin Nutr. 1983 Jan;37(1):93-8.