Das Neurohormon Melatonin ist vor allem als sanfte, natürliche Schlafhilfe bekannt. Im Gegensatz zu vielen verschreibungspflichtigen Schlafmitteln macht Melatonin nicht süchtig und verursacht keine Entzugserscheinungen. Es gibt es in zwei Formen, kurzfristig und langfristig wirkend. Kurzfristig wirkendes Melatonin hilft uns beim Einschlafen, langfristig wirkendes hilft uns beim Durchschlafen. Je nach Muster Ihrer Schlaflosigkeit können Sie kurzfristiges Melatonin, langfristiges Melatonin oder eine Kombination aus beidem einnehmen. Melatonin ist auch ein starkes Antioxidans (Ramis et al., 2015). Darüber hinaus trägt es zur Regulierung des Energiestoffwechsels (Cipolla-Neto et al., 2014) und der Immunfunktion bei (Calvo et al., 2013).

Melatonin wird von der Zirbeldrüse produziert. Die suprachiasmatischen Zellkerne im Hypothalamus, eine kleine lichtempfindliche Struktur, regulieren das Melatonin. Tageslicht hemmt die suprachiasmatischen Zellkerne und die Produktion von Melatonin. Die Dunkelheit ermöglicht es dem suprachiasmatischen Zellkern, der Zwirbeldrüse zu signalisieren, die Melatoninausschüttung zu erhöhen, was unsere Tagesrhythmus reguliert, einschließlich der Zeiten, zu denen wir abends in Bett gehen und am Morgen aufwachen können. Jedes Jahr ändert die Zwirbeldrüse ihre Melatoninfreisetzung dann, wenn sich die Länge des Tageslichts ändert und passt unseren Biorhytmus somit an die Jahreszeiten an. Ein Grund für Schlaflosigkeit liegt daran, dass einige Personen größere Probleme damit haben, ihre Schlafzyklen an jahreszeitbedingte Änderungen der Lichtverhältnisse anzupassen. Daraus entwickelt sich schließlich Schlaflosigkeit und Probleme beim Einschlafen. Bei anderen kann eine Abnahme der Melatoninproduktion vorliegen, zum Beispiel mit zunehmenden Alter. Wir können unseren Tagesrhythmus stören, wenn wir zu viele Zeitzonen durchqueren, nachts zu lange aufbleiben, Nachtschichten arbeiten, am Morgen zu lange schlafen oder tagsüber ein Nickerchen machen (Brown und Gerbarg, 2009)

Bei leichter Schlaflosigkeit können 1 oder 2 mg Melatonin ausreichen. Bei mittlerer Schlaflosigkeit sind 3 bis 6 mg der Durchschnitt für die meisten Erwachsenen. Bei schwerer Schlafstörung können bis zu 9 oder 10 mg Melatonin erforderlich sein. Melatonin kann sicher in Kombination mit Schlafmitteln (z. B. Sedativa-Hypnotika, Benzodiazepinen), Antidepressiva und Antipsychotika verwendet werden. Für besseren Schlaf, ob mit Melatonin, Kräutern oder verschreibungspflichtigen Medikamenten, ist die Schlafhygiene unerlässlich. Schlafhygiene umfasst die Festlegung einer festen Schlafenszeit, das Vermeiden von stimulierenden Aktivitäten vor dem Schlafengehen (anstrengende Fernsehserien, Videospiele, Tippen), das Festlegen einer Schlafroutine, jeden Tag zur gleichen Zeit aufzustehen, das Vermeiden von Nickerchen am Tag sowie den Verzicht auf stimulierende Nahrungsmittel (Schokolade) oder Getränke (koffeinhaltiger Kaffee oder Tee) am späten Nachmittag oder Abend.

Hier sind einige weniger bekannte Vorteile von Melatonin.

Melatonin kann helfen, Jetlag zu reduzieren

Viele Menschen haben Schwierigkeiten, ihren Schlafzyklus anzupassen, wenn Sie zwei oder mehr Zeitzonen durchqueren. Ob man nur um 18:00 einschläft, weil die innere Uhr sich anfühlt, als wäre es Mitternacht oder man bis in den Nachmittag schläft, weil der Körper sich anfühlt, als wäre es 6 Uhr morgens, beides kann die ersten Tage eines Urlaubs verderben. Wenn Sie geschäftlich unterwegs sind, kann Jetlag Ihre Leistung beeinträchtigen. Wenn Sie anfällig für Jetlag sind, könnten Sie von einer Kombination aus 3 bis 6 mg Melatonin in der ersten Nacht, an der Sie am Ziel ankommen, und 150 bis 300 mg Rhodiola Rosea zu der Zeit, zu der Sie morgens aufwachen müssen, profitieren.

Melatonin- und REM-Verhaltensstörung - Unruhige Nächte

Die REM-Verhaltensstörung (RBD) entwickelt sich normalerweise nach dem 70. Lebensjahr, kann jedoch früher oder bei Menschen mit Gehirnverletzungen auftreten. Sie zeichnet sich durch Zappeln, Tritte und sogar Schläge im Schlaf aus. Manchmal, wenn das Gehirn altert, werden die neuronalen Schaltkreise, die uns daran hindern sollen, unsere Träume körperlich auszuleben, beeinträchtigt. Wenn die Bewegungshemmung verloren geht, können die Bewegungen im Schlaf durchbrechen. Es ist unnötig zu erwähnen, dass dies eine Belastung für den Bettpartner darstellt und gefährlich sein kann. Wenn ein 80-jähriger Mann beispielsweise versehentlich seine 78-jährige Frau aus dem Bett stößt, könnte sie eine Gehirnerschütterung oder einen Knochenbruch erleiden. Leider wird die Diagnose einer RBD häufig übersehen und der Ehemann wird dazu verurteilt, alleine auf dem Sofa zu schlafen. Die Diagnose kann durch eine Schlafstudie bestätigt werden. RBD wird in der Regel mit Clonazepam, einem Benzodiazepin behandelt. Diese Medikamantenklasse ist jedoch insbesondere bei ältereren Menschen problematisch, da Sie das Risiko auf Stürze, geistige Verwirrung, Desorientierung oder Angewöhnung und Sucht erhöhen kann. Im Vergleich zu Clonazepam hat Melatonin weniger Nebenwirkungen und kann für die Behandlung von RBD sehr vorteilhaft sein (McGrane et al, 2015). In vielen Fällen ist Melatonin wirksam bei der Bekämpfung von RBD-Symptomen, es kann jedoch erforderlich sein, die Dosis vor dem Zubettgehen schrittweise auf bis zu 10 mg zu erhöhen. Es ist am besten, Melatonin etwa ein bis zwei Stunden vor der geplanten Schlafenszeit einzunehmen.

Melatonin und Sundowning

„Sundowning“ ist ein Begriff, der beschreibt, was älteren Menschen passieren kann, wenn die Sonne untergeht, insbesondere wenn sie sich in einer fremden Umgebung wie einem Krankenhaus oder einem Pflegeheim aufhalten. Wenn die Lichter schwach sind, wird es für ältere Menschen schwieriger, sich mit visuellen Hinweisen zu orientieren. Wenn sie desorientiert und verwirrt werden, können sie umherwandern und sich verlaufen oder verletzen. Häufig verwendete Schlafmedikamente wie Ambien oder Benzodiazepine können die Verwirrung verschlimmern oder Gleichgewichtsstörungen, Stürze, Tagesschläfrigkeit, die Gewohnheitsbildung sowie andere Probleme verursachen. Es ist oft sicherer und wirksamer mit einer niedrigen Dosierung von Melatonin zu beginnen, wie z.B. 1 mg und nach und nach zu erhöhen, bis das „Sundowning“ aufhört, 10 mg am Abend jedoch nicht zu überschreiten.

Melatonin kann bei durch Antidepressiva ausgelösten Schlafstörungen helfen

Manche Menschen entwickeln Schlafstörungen, wenn bestimmte Medikamente verabreicht werden, beispielsweise Antidepressiva vom Typ Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SRI). Melatonin kann dieser Nebenwirkung verschreibungspflichtiger Antidepressiva entgegenwirken und so den Schlaf wiederherstellen.

Melatonin, gesunde Netzhaut und gute Sehkraft

Vorläufige Studien deuten darauf hin, dass Melatonin die Gesundheit der Netzhaut fördern und ihre Verschlechterung verhindern oder verzögern kann (Crook et al., 2017). Wenn wir älter werden, treten häufig Netzhautprobleme auf, insbesondere Makuladegeneration. Durch die Einwirkung von Sonnenlicht treten freie Radikale auf, die die empfindlichen Zellen der Makula, den zentralen Bereich der Netzhaut, aus dem der Sehnerv hervorgeht, zunehmend schädigen können. Der beste Schutz liegt darin, an einem sonnigen Tag immer UV-Schutzbrillen zu tragen, wenn wir draußen sind. Leider erfahren viele von uns von diesem Problem erst, wenn wir älter werden, nachdem der Schaden bereits angerichtet ist. Für eine Beurteilen in wieweit Melatonin Makuladegeneration und andere Netzhautprobleme lindern, verzögern oder beheben kann, sind weitere Untersuchungen erforderlich.

Melatonin und die kognitive Funktion

Melatonin schützt Neuronen, die Gehirnzellen, vor Schäden durch freie Radikale. Es wird angenommen, dass es sich hierbei um einen Schlüsselmechanismus handelt, der die kognitive Funktion verbessern und ihren Rückgang verringern kann. Das Gehirn verbrennt sehr schnell Energie. Wenn Zellen Energie verbrennen, schädigen die als Nebenprodukte freigesetzten freien Radikale Zellkomponenten, einschließlich Membranen, Mitochondrien und DNA. Glücklicherweise haben unsere Zellen die Fähigkeit, freie Radikale abzuwehren und den Schaden zu reparieren, der von ihnen verursacht wird. Das Altern, chronische Krankheiten und übermäßiger Stress können die Fähigkeit der Zellen, mit den durch freie Radikale verursachen Schäden mitzuhalten, allerdings beeinträchtigen. Das Resultat sind zunehmende Schäden, die das Gedächtnis und die kognitiven Funktionen beeinträchtigen. Durch die Ergänzung unserer Abwehrsysteme mit Antioxidantien kann die optimale Gehirnfunktion aufrechterhalten werden.

Tardive Dyskinesie ist eine schwere Bewegungsstörung, die als Nebenwirkung von Antipsychotika und anderen Medikamenten (einschließlich Serotonin-Wiederaufnahmehemmern) auftreten kann. Tardive Dyskinesie (TD) beginnt normalerweise mit abnormalen Bewegungen des Mundes oder der Zunge. Sie kann auch mit dem Zusammenpressen des Kiefers beginnen. Es wurde festgestellt, dass Melatonin die Entwicklung von TD bei Patienten, die antipsychotische oder antidepressive Medikamente einnehmen reduziert und in manchen Fällen verhindert (Shamir et al., 2001). Diese Vorteile werden zum Teil auf die antioxidativen Wirkungen von Melatonin zurückgeführt, von denen angenommen wird, dass sie dazu beitragen, Neuronen zu schützen und zu reparieren, die durch Medikamente geschädigt wurden. Die Richtlinien der American Academy of Neurology fanden keine ausreichenden Beweise, um den Nutzen von Melatonin bei tardiver Dyskinesie festzustellen (Bhidayasiri et al., 2013). In Anbetracht der geringen Risiken einer Melatonin-Studie und der möglichen Vorteile ist es jedoch sinnvoll, Dosen von bis zu 10 mg Melatonin pro Tag bei TD-Patienten auszuprobieren.

Melatonin und Autismus

Kinder mit Autismusspektrumstörungen haben oft Schlafstörungen als Bestandteil ihrer physiologischen Dysregulation, einschließlich Störungen der Melatonin-Sekretion (Rossignol und Frye, 2014). Studien zeigen, dass Melatonin den Schlaf von Kindern im Spektrum sicher und wirksam verbessert (Tordjman et al., 2015).

Wechselwirkungen von Melatonin mit Medikamenten

Melatonin hat keine klinisch signifikanten Wechselwirkungen mit häufig verwendeten Medikamenten. Darüber hinaus beeinträchtigt es weder die Wahrnehmung noch das Erinnerungsvermögen oder die posturale Stabilität (Lemoine und Zisapel, 2012).

Qualität von Melatonin

Es ist wichtig, die beste Melatonin-Qualität zu erreichen, um gute Resultate zu erzielen. Konsultieren Sie zuverlässige Quellen bezüglich der Qualität von Ergänzungsmittel-Marken. Hier sind einige Beispiele:

  1. Informationen zu Nahrungsergänzungsmitteln vom National Institutes of Health
  2. ConsumerLab
  3. NSF International
  4. Supplementwatch

Referenzen:

  1. Bhidayasiri R, Fahn S, Weiner WJ, et al. Evidence-based guideline: treatment of tardive syndromes: report of the Guideline Development Subcommittee of the American Academy of Neurology. Neurology 81(5):463–469, 2013.
  2. Brown RP, Gerbarg PL, Muskin PR. How to Use Herbs, Nutrients, and Yoga in Mental Health Care. W.W. Norton & Company, New York. 2009.
  3. Calvo JR, González-Yanes C, Maldonado MD: The role of melatonin in the cells of the innate immunity: a review. J Pineal Res 55(2):103–120, 2013.
  4. Cipolla-Neto J, Amaral FG, Afeche SC, et al. Melatonin, energy metabolism, and obesity: a review. J Pineal Res 56(4):371–381, 2014.
  5. Crooke A, Heute-Toral F, Colligris B, Pintor J. The role and therapeutic potential of melatonin in age-related ocular diseases. J Pineal Res. Sep;63(2), 2017.
  6. Gerbarg PL, Brown RP and Muskin PR. Editors. Complementary and Integrative Treatments in Psychiatric Practice. Washington D.C., American Psychiatric Association Publishing, 2017.
  7. Lemoine P, Zisapel N: Prolonged-release formulation of melatonin (Circadin) for the treatment of insomnia. Expert Opin Pharmacother 13(6):895–905, 2012.
  8. McGrane IR, Leung JG, St Louis EK, et al: Melatonin therapy for REM sleep behavior disorder: a critical review of evidence. Sleep Med 16(1):19–26, 2015.
  9. Modabbernia A. Chapter 19 Melatonin and Melatonin Analogs for Psychiatric Disorders. In Patricia L Gerbarg, Richard P Brown and Phillip R Muskin PR Editors. Complementary and Integrative Treatments in Psychiatric Practice. Washington D.C., American Psychiatric Association Publishing, 2017.
  10. Ramis MR, Esteban S, Miralles A, et al. Protective effects of melatonin and mitochondria-targeted antioxidants against oxidative stress: a review. Curr Med Chem 22(22):2690–2711, 2015.
  11. Tordjman S, Davlantis KS, Georgieff N, et al. Autism as a disorder of biological and behavioral rhythms: toward new therapeutic perspectives. Front Pediatr 3:1, 2015.